
DIE SYRISCHE REVOLUTION ALS SPIELBALL
REGIONALER UND INTERNATIONALER
INTERESSEN
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
1. Die syrische Revolution
2. Die lokale Ebene: „Alawiten und der syrische Krieg“
3. Die Kurden
4. Die regionale Ebene: Türkei, arabische Golfstaaten, Iran und Israel
5. Internationale Ebene und die russische Dominanz
6. Allgemeinen Interessen
7. Die aktuelle Lage
8. Die Sanktionen der europäischen Staaten und der USA
Liebe Interessierte,
in diesem Dokument, berichte ich Ihnen von den Ereignissen des syrischen Volkes und die Folgen des
internationalisierten Krieges. Mein Name ist Sham Alsaho und komme aus diesem Land und aus diesen
Ereignissen. Ich hatte die unglaubliche und einzigartige Gelegenheit Teil dieser friedlichen und ehrlichen
Revolution zu sein und konnte gemeinsam mit meiner Familie und des syrischen Volkes, die Zukunft
Syriens mitgestalten. Allerding musste ich und Millionen andere, die bitteren und traurigen Ereignisse
des Krieges miterleben und hautnah spüren. Wir mussten das Land verlassen, doch mein Herz schlägt
immer noch für Syrien und für jedes Land, das seine Freiheit und Unabhängigkeit erreichen will, ob
Syrien, der Iran, die Ukraine oder die anderen Länder der Welt.
Durch das Erdbeben ist die Situation in Syrien zwar erneut etwas in den Fokus gerückt. Medien können
jedoch häufig nicht ausreichend, ständig, zurückblickend und vollständig über das Geschehen in diesem
Land berichten. Hier versuche ich, Hintergründe aus meiner Perspektive zu erläutern und größere
Zusammenhänge herzustellen. Dieser Bericht dient der Aufklärung und unserer Wahrheiterzählung, Der Krieg in Syrien ist kein üblicher Bürgerkrieg, sondern ein untergeordneter Krieg, was bei Betrachtung der Fakten deutlich wird, und der an Bedeutung in den verschiedenen Gesellschaften verliert. Die Situation ist hoch interessant und komplex. Es ist ein Stellvertreterkrieg und die Weltgemeinschaft ist umfassend beteiligt. Das Geschehene ist vielschichtig und komplex, doch dieses sollte Sie nicht davon abhalten, einen der zentralsten Konflikte unserer Gegenwart wahrzunehmen und sich zu vergegenwärtigen.
Der Spendenaufruf will konkret die Menschen, die Frauen und Kinder in Idlib unterstützen und einen
humanitären Zugang schaffen. Diese Kinder sind betroffen von dem Verlust ihrer Kindheit. Sie sind
ebenfalls davon betroffen, im Winter in der Kälte zu frieren, schlecht mit Kleidung und Nahrung versorgt
zu sein und von der Angst, Eltern und Verwandte aufgrund der katastrophalen humanitären Lage und
aufgrund der Unterdrückung durch das Regime zu verlieren. Es geht um Hilfe zum Überleben.
Diese Aktion möchte ebenso auf den Krieg und seinen Folgen hinweisen und aufklären, insbesondere
weil der Krieg in der Ukraine meiner Meinung nach mit dem syrischen Krieg Parallelen aufweist.
Ich bitte Sie, sich vom Informationsumfang dieses Textes nicht abschrecken zu lassen. Ich denke,
Veränderungen beginnen mit Wissen und wünsche mir, dass darauf die Solidarität folgt.
Die Syrische Revolution als Spielball regionaler und internationaler Interessen
1. Die syrische Revolution
Seit 1970 regiert die Assad Familie über Syrien mit Gewalt und in einer ungerechten und
undemokratischen Form. Das syrische Regime wurde seit 1971 von Hafez Al Assad bis zu seinem Tod
geführt und er gab diese Position an seinen Sohn Baschar Al Assad weiter. Die Herrschaftsform ist die
absolute Macht, also eine Diktatur. Syrien ist seit Jahrzehnten für systematisches grausames Foltern bis
zum Tod berüchtigt und Syrien gilt offiziell als Folterstaat. Das syrische Volk ist von Morden, Folter,
Vertreibung, Vergewaltigung, Ungerechtigkeit, konfessionelle Spaltung und Armut betroffen, die durch
das Vorgehen und die politischen Maßnahmen der Assad Familie ausgelöst werden. Der Auftakt der syrischen Revolution und für einen inzwischen 12 Jahre anhaltenden Krieg ist der 15.März 2011. Damals haben Jugendliche auf eine Wand in der Schule Parolen wie „Du bist dran Doktor“ (Assad ist mit Doktor gemeint, der auch als Augenarzt tätig war) gegen das diktatorische Regime Assads gesprüht und seinen Sturz gefordert. Daraufhin wurden viele Jugendliche gewaltsam verhaftet. Viele Menschen demonstrierten gegen diese Verhaftungen. Im April kommt es zu großen Demonstrationen in vielen syrischen Städten, erneut werden hunderte Menschen verhaftet und viele getötet, unter anderem viele Minderjährige. Städte wie Homs und Daraa werden umzingelt und abgeriegelt, schwere Waffen werden eingesetzt, Scharfschützen in jeder Ecke, Panzer werden tatsächlich gegen protestierende Menschen eingesetzt. Die Anzahl der Toten unter den unschuldigen und friedlich demonstrierenden Menschen nimmt zu. Die Proteste haben sich ausgeweitet. Die Strategie des syrischen Regimes, Menschen durch den Einsatz des Militärs und Waffen zu unterdrücken, hat die Bevölkerung nicht eingeschüchtert oder Angst verbreitet. Ganz im Gegenteil, überall wurden kleine Proteste organisiert, die immer größer und lauter wurden. Die Demonstrationen waren unbewaffnet und sehr friedlich, doch im Spätsommer haben Oppositionelle sich bewaffnet, um Protestierende und Oppositionshochburgen vor dem Militär zu schützen. Daraufhin hat sich die FSA gegründet, die „Freie Syrische Armee“, die aus vielen Dissidenten besteht und anfangs als moderate Kraft anerkannt wurde. Die syrische Führung war zu keinem Zeitpunkt bereit, sich auf substantielle Verhandlungen oder Diplomatie einzulassen. Assad hat von Anfang an alle Demonstrierenden als Terroristen bezeichnet, die es zu bekämpfen gelte. Der Diktator hat limitierte Reformen durchgesetzt, um den Interessen einiger Bevölkerungsgruppen entgegenzukommen. Jedoch kam es nicht zu politischen Reformen oder zu einem Waffenstillstand, stattdessen wurde der Kampf seitens des Regimes immer radikaler und gewalttätiger. Als die Waffen zum Einsatz kamen, wachte das Interesse der lokalen, regionalen und internationalen Mächte auf und rasch begannen viele Staaten wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, die Türkei, und einige westliche/europäische Länder unterschiedliche Gruppen logistisch, finanziell, militärisch, diplomatisch, und politisch zu unterstützen.
„In Idlib protestieren immer noch Groß und Klein für Frieden und ein Ende der Grausamkeiten“
`
Massendemontstration in der Stadt Idlib für Freiheit und Freilassung der Gefangenen..
2. Die lokale Ebene
Alawiten und der syrische Krieg Syrien ist ein Vielvölkerstaat, mit einer kurdischen und armenischen Minderheit. In Bezug auf die religiöse Identität gehört der größte Teil der syrischen Bevölkerung dem sunnitischen Zweig des Islams an sowie fast 90% aller Muslime weltweit. Drusen und Christen verschiedener Konfessionen machen ebenfalls einen Teil der syrischen Bevölkerung aus. Einige Muslime sind mit dem Schiitischen Islam verbunden. In Bezug auf die geografische Präsenz sind Alawiten eine muslimische Minderheit, die ebenfalls einen kleinen Bevölkerungsteil ausmachen. Das ursprünglich historische Kernland der der Alawiten liegt im Westen des Landes in Latakia. Dort bilden sie die Mehrheit in der Provinz, obwohl die Stadt Latakia auch von Sunniten und Christen bewohnt ist. Alawiten sind aber auch sehr stark in der Hauptstadt Damaskus und in Homs vertreten. Sunniten und Alawiten sind syrische Nationalisten, allerdings praktizieren die Alawiten eine einzigartige und wenig bekannte Form des Islams im Vergleich zu den Sunniten. Die Unterschiede zwischen Alawiten und Sunniten haben erst 2011 zu Beginn des regierungsfeindlichen Aufstands gegen Präsident Baschar Al Assad, dessen Familie ebenfalls Alawiten sind, geändert und auch den Konflikt verschärft. Der Grund für die Spannung zwischen Alawiten und Sunniten ist eher politischer als religiöser Natur. Denn die wichtigsten Positionen im Militär und andere Spitzenpositionen der Regierung werden von alawitischen Offizieren besetzt und kontrolliert. Während die meisten Rebellen und Oppositionsgruppen von der sunnitischen Mehrheit Syriens stammen. Syrische Alawiten werden als religiöse Brüder iranischer Schiiten dargestellt, doch es herrscht keine historische
Verbindung oder irgendeine traditionelle religiöse Affinität zu iranischen Schiiten, die zum Hauptzweig
des Schiitischen Islam gehören. Das ist ein politisches Missverständnis, der seit der strategischen Allianz
zwischen dem Iran und Syrien seit 1979 entstandenen Beziehungen. Darüber hinaus sind Alawiten
ethnische Araber, während die Iraner ethnische Perser sind. Allerdings wird Syrien von einem
alawitischen Regime regiert, mit dem unvermeidlichen Resultat, dass diese religiöse Minderheit über
eine Mehrheit herrscht. Das ist jedoch die verkürzte und unvollständige Theorie. Das syrische Regime
wurde von Hafez Al Assad (Vater von dem aktuellen Präsidenten Baschar Al Assad) aufgebaut, der seit
1970 die Macht ergriffen hat und die Spitzenpositionen im Militär, in Geheimdiensten für die Menschen
reservierte, denen er am meisten vertraute und die ihm beim Aufbau einer Diktatur halfen. Jedoch wurde
und wird die Assad Familie auch von sunnitischen Geschäftsführern unterstützt und sie hatten für einen
bestimmten Zeitpunkt die Mehrheit in der einzig regierenden Baath Partei. Allerdings haben die Alawiten
den sicheren und privilegierten Zugang zu Regierungsstellen, die die Korruption und Staatsversagen
befördert haben, um sich und ihre Tätigkeiten zu beschützen. Dies erzeugt Ressentiments in der
Bevölkerung und besonders bei den religiösen Fundamentalisten, die die Alawiten nicht als Muslime
betrachten, aber bei vielen alawitischen Dissidenten, die die Assad Familie und ihr System sowie die
Ausgrenzung der syrischen Mehrheit kritisieren und scharf verurteilen. Als die Revolution 2011 im März
begann, haben sich die meisten Alawiten hinter dem Assad Regime versammelt (wie viele Sunniten
auch). Einige taten dies aus Loyalität gegenüber der Assad Clans, andere bzw. die meisten aus Angst,
dass eine demokratisch gewählte Regierung unverzüglich von sunnitischen Politikern, die die Mehrheit
ausmachen, dominieren und sich für den Jahrzehnte lang geführte Machtmissbrauch durch alawitische
Führer rächen würden. Deshalb haben sich viele Alawiten, den gefürchteten Pro Assad Familien, Milizen
und anderen Verteidigungsgruppen angeschlossen, die als „Shabiha“ bekannt sind. Sunniten haben sich
anderen Oppositionsgruppen wie Jabhat Ahrar Al Sham und anderen Rebellenfraktionen angeschlossen. Der Konflikt in Syrien ist kein Religionskrieg oder in irgendeiner Weise sektiererisch, die
Trennlinie ist die Loyalität einiger Gruppen gegenüber der Assad Herrschaft. Diese loyale und auch
materielle Unterstützung durch einige Religionsgemeinschaften führt zu Misstrauen und religiöser
Intoleranz. Die Alawiten und ihre Protektion/Unterstützung war getragen von Angst vor Diskriminierung,
die die Geheimdienste verbreitet haben. Sie haben die Revolution anders gedeutet, bzw. durch die
streng bewachten Medien manipuliert. Die absolute Macht und Privilegien der Alawiten waren nicht der
Grund für den Ausbruch dieser Revolution. Da die meisten Spitzenreiter aus der alawitischen Minderheit
stammen, hat die alawitische Gemeinschaft diesen Fakt mit der gesamten Situation und Unruhen im
Land identifiziert und das Wesentliche ignoriert und nicht vergegenwärtigt. Sie haben nicht verstanden,
dass es sich bei Assad um einen grausamen Diktator handelt.
3.Die Kurden
Die Kurden lebten ganz gewöhnlich in ihrem Land Syrien und waren wie viele ethnische Gruppen
gesellschaftlich und sozial gleichgestellt. Die Kurden hatten in der ersten Phase der militärischen
Entwicklung profitieren können, denn 2012 hatte das Assad Regime seine Truppen aus den mehrheitlich
besiedelten Gebieten ohne nennenswerte Kampfhandlungen zurückgezogen. Aus dem Grund, weil
Assad von sich gab, erst den Kampf auf den Terror und somit auf die Zivilbevölkerung, die für den
demokratischen und rebellischen Aufstand waren, zu lenken. Mit Terrorbekämpfung, verstand er auch
den Kampf, des IS mit Putin. Und so hatten, die Kurden den freien Raum und dies ermöglichte Ihnen, in
der Eigendikition Westkurdistan, Rojava ein Selbstverwaltungsgebiet zu errichten, in den die kurdischen
Terrormilizen die PKK und PYG die Macht verkündeten. Doch sie weiteten ihre Gebiete weit über die
mehrheitlich kurdisch besiedelten Gebiete hinaus aus und etablierten eine eigene politische Struktur, die
gemäß der Ideologie von Abdullah Öcalan ist. Doch diese Ideologie und die ihrer Anhänger (mehrheitlich
Kurden) handelten in keiner Weise so progressiv-demokratisch, wie sie es sich vorgenommen hatten.
Ziel des gesamten syrischen Volks war, Frieden und Ordnung in politischer, gesellschaftlicher,
ökologischer, sozialer und diplomatischer Form zu erzielen sowie den Föderalismus zu fördern.
Allerdings handelten die Kurden auf eigener Faust, ohne die syrischen Prinzipien und territoriale
Sicherheit und Souveränität zu erachten und zu respektieren. Sie agierten mit Gewalt, Radikalität und
verkauften bzw. ignorierten den gemeinsamen Kampf gegen diese unzähligen radikalen Kräfte. Viele
intellektuelle Kurden schlossen sich der Revolution an und hatten die sichere und nicht prekäre Zukunft
der Kurden in Syrien gesehen. Doch die militärische Unterstützung der Kurden durch die USA hat das
Blatt zugunsten der extremistischen Parteien gewendet. Seitdem herrscht eine politische Spaltung, da
die Kurden ihre Macht weit über ihre rechtlichen und ethnischen zugeschriebenen Gebiete ausdehnen
möchten.
4 Die regionale Ebene: Türkei, arabische Golfstaaten, Iran und Israel
Die Regionalmächte im Nahen und Mittleren Osten hatten kollektive Prioritäten, die sie zu einer
gemeinsamen und konstruktiven Konfliktbearbeitung bzw. Konflikthinzufügung in Syrien motiviert hatten.
Zwar betonten, die Regionalmächte regelmäßig die Anerkennung der legitimen Forderungen und die
Notwendigkeit einer politischen Konfliktlösung, die diesen Krieg befriedigen sollte. Doch dies hielt sie
nicht davon ab, ihre eigenen Interessen und Motive durchzusetzen und dabei unterschiedliche
Konfliktparteien zu unterstützen und so zu instrumentalisieren bzw. selbst mit Waffen zu intervenieren.
Die arabischen Golfstaaten, allen voran Saudi-Arabien, Katar und anfangs die Vereinigten Arabischen
Emirate und die Türkei, haben unterschiedliche Rebellen-Fraktionen gefördert, um einen schnellen
Regimewechsel herbeizuführen. Die Gründe der arabischen Golfstaaten und die Motivation in diesem
Krieg einzusteigen waren wirtschaftlicher und politischer Art, allerdings hatten sie eine Gemeinsamkeit,
nämlich das Mullah Regime im Iran zu isolieren und die große Kraft im Nahen Osten zu sein. Sie
verbanden damit die Hoffnung, die langjährige Allianz zwischen Syrien und dem Iran zu brechen und
Syrien in ihrem geostrategischen arabischen Raum für sich zu gewinnen. Die Interessen der
Golfstaaten, sind aber auch religiös, denn ihr Feind ist der Iran und das Schiitentum und da ergriffen sie
die Möglichkeit, ihre Interessen in einem anderen Land zu erreichen. Allerdings waren sie sich nicht
einig, welche Kräfte obsiegen sollten und so förderten sie ihnen ideologisch nachstehenden Gruppen,
statt alle Anti-Regime-Kräfte effizient zu einigen. Doch seit dem russischen Eingreifen in Syrien haben
diese Unterstützer ihre Hilfen deutlich zurückgefahren und ihr Hauptaugenmerk auf den
Stellvertreterkrieg im Jemen, in der direkten Nachbarschaft, gerichtet. Die Türkei hat ebenfalls ihre
eigenen Interessen vor den Augen aller Welt offen und klar dargestellt. Die Türkei hat selbst große
innenpolitische Probleme, die sie mit der PKK haben bzw. mit der kurdisch terroristischen Gruppierung,
die sich auch in Syrien militärisch engagiert hat und zwar auch gegen die syrische Zivilbevölkerung. Die
Türkei stand vor den vorgezogenen Parlamentswahlen und wollte mit einem außenpolitischen Einsatz,
politische Kompensation erreichen, um einen möglichen Sieg bei den Wahlen herbeizuführen. Die Türkei
hat ein Nationalismus-Problem und eine minderheitenfeindliche Politik. Sie bekämpft die türkischen
Kurden im eigenen Land und will jeden möglichen kurdischen Einfluss zurückdrängen, deshalb wollen
sie die Aufrüstung der PYD, deren internationale politische Aufwertung und ein zusammenhängendes
kurdisches Selbstverwaltungsgebiet an der südlichen Landesgrenze verhindern. Die Türkei will also
ihrem Gegner keine Rückzugsmodell/Rückzugsmöglichkeit in Syrien verschaffen. Außerdem sollten die
syrischen Flüchtlinge in eine Schutzzone innerhalb Syriens zurückgeführt werden, aufgrund des durch
die türkische Bevölkerung ausgelösten Drucks und Hasses gegen syrische Flüchtige in der Türkei. Die
Türkei hat gute diplomatische Beziehungen zu dem Iran und Russland, die aufseiten des Assad
Regimes stehen. Mit dieser trilateralen Beziehung konnte Erdogan in seiner zugeschriebenen
Einflusszone mit der Billigung Russland alle seine Ziele militärisch verfolgen. Die Kooperation mit dem
Kremlchef eröffnete ihm damit durch und über Syrien hinaus neue außenpolitische Spielräume.
Angesichts des angespannten Verhältnisses zu der EU und zu den Nato-Bündnispartnern war diese
Kooperation kein unwesentlicher Faktor.
Der Iran stellte sich von Anfang an auf die Seite der syrischen Führung. Das Mullah Regime bezeichnete
und verurteilte die friedliche Revolution als ein Manöver, das von außen gesteuert wird, zur Schwächung
der iranischen Widerstandsachse gegen Israel und die USA. Denn Teheran befürchtet mit Syrien einen
langjährigen und einzig wichtigen arabischen Partner zu verlieren. Irans größter Feind ist Israel und da
Israel nah der Grenze zu Syrien liegt, will Iran seine Position in Syrien nicht verlassen. Der Iran konnte
im Laufe der Kämpfe seine Präsenz in Syrien weiter ausbauen. Er konnte einen direkten Zugang zu den
von der libanesischen Hisbollah kontrollierten Gebieten im Libanon und damit zum Mittelmeer erreichen.
Außerdem will Iran die Abschreckung gegenüber Israel erhöhen und sich durch Syrien gegen etwaige
Angriffe immunisieren. Aus diesem Grund hat Teheran kämpfende Einheiten, Militärberater und sogar
eine führende Rolle bei der militärischen Organisation und Finanzierung von Milizen. Das betrifft neben
der extremistischen libanesischen Hisbollah auch Bürgerwehren aus Afghanistan, Irak und aus Pakistan.
Der Iran hatte die Bodenhoheit in Syrien und dies half bei der Rückeroberung von strategisch wichtigen
Territorien und gab den syrischen Truppen an Schlagkraft. So konnten sie auch kontrollierte Korridore
etablieren und Truppen sowie Waffenlieferungen aus dem Iran über den Irak und Syrien ungehindert bis
in den Libanon und ans Mittelmeer verschaffen. Die Vorstellungen von Israel und Iran über und in Syrien
sind unvereinbar. Die israelische Regierung sah die zunehmende iranische Präsenz in Syrien mit großer
Sorge und veranlasste ihre politischen/diplomatischen Aktivitäten insbesondere gegenüber dem Assads-
Verbündeten Russland und den USA. Sie einigten sich auf eine Deeskalationszone im Südwesten des
Landes, dieses Abkommen kam dem israelischen Interesse an einer temporären Beruhigung der
Situation entgegen. Doch eine langfristige Beendigung des Krieges im Grenzgebiet und eine dauerhafte
Präsenz des Iran wurde durch das Abkommen im Jahr 2017 nicht ausgeschlossen. Deshalb ging Israel
zu einer aktiven Eindämmungspolitik über, um die Etablierung iranischer Stützpunkte, den Bau von
Rüstungsfabriken und die Weitergabe strategischer Waffen an die Hisbollah militärisch zu verhindern.
5. Internationale Ebene und die russische Dominanz
Auch die Großmächte Russland und die USA stellten ihre diplomatische, finanzielle, militärische und
logistische Unterstützung nicht ein. Stattdessen wiegten sie sich in dem Glauben, den Kampf militärische
gewinnen zu können. Sie waren nicht die Förderer einer politischen Lösung und handelten nicht
zugunsten des syrischen Volks. Russlands Begründung war die Bekämpfung des „Islamischen Staates“,
da sich viele Soldaten russischer Herkunft dem Terrororgan anschlossen und sie die „Kaukasus Emirate“
im Nordkaukasus gegründet hatten. Sie würden nach Russland kommen, um ein Blutbad zu eröffnen
und dort würde sie niemand aufhalten. In einem 2015 offiziell veröffentlichten Video von Putin erklärte er
die Teilnahme am syrischen Krieg und dass er selbst militärisch auf syrischem Boden intervenieren
werde, da das syrische Regime trotzdem Einsatzes der iranischen Truppen immer weiter in Bedrängnis
geraten sei. Doch Moskau ging es vordergründig nicht um den Kampf gegen den Islamischen Staates,
sondern um den Erhalt des syrischen diktatorischen Regimes, um seinen Einfluss in Nahen und
Mittleren Osten weiter auszubauen. Russland wollte mit der militärischen Intervention als Großmacht
anerkannt werden und das Gesicht zurückerlangen, dass es auf der internationalen Bühne verloren
hatte. Ohne eine Konfliktlösung wäre dies für Putin gar nicht möglich. Die russische Militärintervention
hat als einzige internationale Macht den Krieg absolut zugunsten des Assad Regimes gewendet. Es
ging/geht ihm um das Prestige. 2017 organisierten Russland mit der Türkei und dem Iran einen
Konfliktreglungsmanagementformat, welches in Astana stattfand und in Konkurrenz zu dem UN-
Vermittlungsansatz stand. Es geht Putin also darum, eine Rolle in einem der aktuell größten
internationalen Konflikte der Welt zu spielen, der noch die internationale Agenda bestimmt. Die syrische
Opposition hatte trotz der militärischen Übermacht der Gegner und des fehlenden Rückhalts viele
Stadteile, Provinzen und ländliche Gebiete zurückerobert und befreit. Doch Russland entschied sich
nicht nur, seinem Amtskollegen, dem Diktator und Terroristen zu beschützen, sondern zielte auf zivile
Standorte, wie Schulen, Krankenhäuser und auf Kinder, die ihr Leben in Lagern verbringen mussten und
noch müssen. Russland gilt als dominanteste militärische Kraft in einem der dominantesten Kriege
dieser Zeit. Die Vereinigten Staaten von Amerika hatten sich von Anfang an gegen Assad gestellt. Aus
ihrer Perspektive bot diese Revolution die Möglichkeit auf eine demokratische und freie Führung in
Nahen Osten und auf eine kooperative Zusammenarbeit. Doch ihre Hilfe wies nicht auf einer
internationalen Zusammenarbeit, ihre Unterstützung gegenüber den Rebellen sah sehr zögerlich aus.
Sie verstanden die Unterstützung der Rebellen als fundamentales Mittel, um politischen Druck auf das
Regime auszuüben, damit dieses sich auf Verhandlungen mit der syrischen Opposition einließe. Sie
verstanden die Hilfe jedoch nicht als Instrument, um einen Regimewechsel militärisch herbeizuführen.
Rote Linien hinsichtlich des Einsatzes von Chemiewaffen 2013 wurden seitens Frankreichs,
Großbritannien und der USA verkündet, aber in letzter Minute abgesagt. Damit mussten Assad und
seine Hauptunterstützer von den USA – von Sanktionen abgesehen – nichts befürchten und
Verhandlungsdruck wurde eher nicht ausgeübt.
Die USA konzentrierten sich nicht auf die Protektion dieser Revolution, sondern auf den Kampf gegen
den islamischen Terror. Seit 2014 fokussieren sie ihr Engagement auf den Kampf gegen des Islamischen
Staates “IS“ anfangs im Irak. Doch dann rückten sie immer mehr nach Syrien und wollten einen heiligen
religiösen islamischen Staat in Syrien und über Syrien hinaus errichten. Dabei stützen sie sich auf die
kurdisch dominierten SDF (Syrian Demokratie Forces) und eröffneten eine Kooperation mit den SDF, die
schon unter Präsident Obama etabliert wurde. Seitdem unterstützen sie die Kurden massiv mit Waffen,
Spezialeinheiten, Militärberater und gewährten ihnen Luftunterstützung. Die USA ist weiterhin präsent,
um ein Widererstarken des IS sowie den iranischen Einfluss zurückzudrängen.
6. Allgemeine Interessen
Syrien ist ein Feld vieler politischer und historischer Ereignisse und jede Seite sucht seine Interessen bei
der Neuordnung Syriens. Es sind Probleme aus den Gebieten des Nahen und Mittleren Osten sowie des
Westens, die in Syrien ihr Austragungsort gefunden haben. Es sind etliche Stellvertreter-Kriege und –
Konflikte, die in Syrien stattfinden und die die Revolution und die Bevölkerung belastet haben. Sei es
Russland mit dem Westen, Iran mit Israel und Amerika, Israel mit dem Iran und der libanesischen
Hisbollah, die arabischen Golfstaaten mit dem Iran oder die Türkei mit den Kurden (SDF/YPG/PKK). Der
ursprüngliche Konflikt wurde vernachlässigt und bei Seite gelegt, nämlich der Kampf gegen den Diktator
Assad, der weiterhin Verbrechen an seinem eignen Volk ausübt. Syrien und die freie syrische Revolution
wurden politisch ignoriert. Es hätte sich um einen wahren demokratischen Sieg in Syrien gehandelt und
tatsächlich eine politische Veränderung eingeleitet. Allerdings würde dieser Sieg auch bedeuten, keinen
Zugang auf syrischen Rohstoffen und Ressourcen zu haben sowie keinen geografisch passenden Platz,
diese beschriebenen Stellvertreterkriege auszutragen.
7. Die aktuelle Lage
Die Frauen und Kinder sind gefangen in einer unhaltbaren inhumanen Situation, voller Gewalt, tödlicher
Kälte, bittererem Schmerz und Nahrungsmangel. Es herrschen furchtbare Lebensbedingungen. Seit
dem Beginn des Krieges befindet sich Syrien jetzt 2022/2023 in einer der schlimmsten Krisen ihrer
Geschichte. Mehr als 60 Prozent der syrischen Bevölkerung leiden unter Hungersnot und sind betroffen
von klimatischen Folgen, wie Dürre oder im Nordosten Syriens von Kälte. Außerdem sind sie betroffen
von Ernteausfällen, die aus den klimatischen Faktoren resultieren.13 Millionen Menschen sind auf
humanitäre Hilfe angewiesen und leiden unter den prekären Zuständen. Über 2,1 Millionen Kinder
haben keinen Zugang auf Bildung. Es sind 5 Millionen Kinder, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind.
6,7 Menschen sind Vertriebene im eignen Land. Über 3 Millionen Menschen leben in der Türkei, 663.500
in Jordanien, 865.500 im Libanon, und 243.100 im Irak und insgesamt 5,7 Millionen Menschen sind aus
dem Land geflohen. Seit Anfang des Jahres 2022 sind über 77 Kinder durch Explosionen seitens
Russlands, des russischen Regimes und kurdischer Milizen getötet oder verletzt worden. Die
Dunkelziffer ist höher. Es ist eine beispiellose Situation. Die Menschen in Idlib sind nicht in Sicherheit.
Das Zuhause eines syrischen jungen Mädchens…
Russland und das Assad bombardieren weiterhin zivile Ziele. In Idlib wachten die Menschen
beispielweise am 22.Juli 2022 auf und es war ein schmerzhafter und blutiger Morgen. Ein blutiger
Morgen, der für die Frauen und Kinder nicht mehr ungewöhnlich ist. Bei dem russischen Luftangriff
haben 7 Personen den Tod erlitten, darunter 4 Kinder bzw. Geschwister einer Familie im Dorf Al-Jadida
nahe der Stadt Jisr Al Shoghour. 12 wurden verwundet. Die syrische Beobachtungsstelle teilte mit, dass
zwei russische Su-34-Flugzeuge das Gebiet angegriffen haben. Es dauerte fast drei Stunden, die Opfer
aus den Trümmern zu holen. Hinzu die aktuelle Lage der Menschen in der Türkei und Syrien aufgrund
des Erdbebens, welches den Zustand der Menschen gravierend dramatisierte. Die Menschen in Idlib
hatten bereits, mit der schlechten Situation, der fehlenden Sicherheit angesichts der sich ständig
verschlechterten medizinischen und grundlegenden Versorgung, ob es das saubere Wasser ist oder die
Nahrung viel zu kämpfen. Doch dieser Erdbeben lässt einem sprachlos werden, denn die Familien
hatten ohne hin wenig bis gar nichts und dann bebte die Erde, die das Leben von Tausenden Menschen
genommen hatte. Syrien ist ein „Versuchskaninchen“ vieler autoritärer Mächte und jetzt Opfer der
eigenen Natur. Doch der Skandal und die Schande ist an dem Westen zurück zu führen, der nicht fähig
war diese Menschen aus den Trümmern zu retten, denn die Hilfen kamen viel zu spät an bzw. gar nicht.
Die Vereinten Nationen haben seit Anfang dieser Revolution versagt und nun versagen sie 12 Jahre
später und verließen das syrische Volk im Stich. Das ist nicht meiner Bewertung, sondern das
Eingeständnisses des UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths, der es eingesehen und deutlich
ausgesprochen hat, dass die UN bisher viel zu wenig in Syrien geleistet hat. Syrien und insbesondere
das betroffene Gebiet in Norden des Landes hatte schon seit Jahren Probleme mit den Kapazitäten der
Sicherheitsorganisationen und Ausbildung bzw. Mitteln der Rettungskräfte, die in solchen prekären
Gebieten unersetzlich sind. Außerdem fehlten insbesondere moderne Such und Rettungsgeräte, sowie
Sensoren, die nicht zu Verfügung gestellt wurden. Das tragische an der gesamten Situation, war die Einsamkeit jedes einzelnen in Nordsyrien, denn die Menschen hatten keine zentrale, anerkannte und effektive organisierte politische Institution, die ansatzweise hätte helfen können bzw. die Koordination und Organisation übernehmen kann. Die Menschen waren Wort wörtlich auf sich und ihre persönlichen Kräfte gelassen. Doch eine zivile Organisation „Die Weiß Helme“, haben einen unbeschreiblichen Beitrag geleistet, der die die Rettung der Menschen umfasst. Die Weiß Helme haben die Aufgabe eines Staats übernommen, in dem Sie alles dafür gegeben haben Kinder und Frauen mit ihren Händen aus den Trümmern raus zu holen. Anschließend die politische Verlogenheit, die als Anlass des Erdbebens zum Ausdruck gebracht wurde. Assad forderte die Aufhebung der international abgestimmten Sanktionen, mit der Lüge, nur durch die Aufhebung Menschen helfen zu können. Er versuchte die Weltgemeinschaft durch diese Katastrophe für
sich zu gewinnen und zu sensibleren. Allerdings, hätte die Aufhebung der Sanktionen nichts gebracht,
denn all die Hilfen, die in Damaskus ankommen werden von der Assad und iranischen Milizen
beschlagnahmt und auf den Märkten Syriens verkauft, statt sie zu verteilen, um Menschenleben zu
retten. Die humanitäre Hilfe war/ist und wird niemals zu seinen Prioritäten gehören. Und der Westen
sollte dies eigentlich aus 12 Jahren Erfahrung gelernt haben. Die Hilfen der UN haben an mangelndem
politischem Willen und Unsicherheit gelegen, man benötige für humanitäre Beihilfe keinen UN-Mandat
oder die Zustimmung des Präsidenten.
„Die Freude der Menschen in Idlib, als die „Weiß Helme“ ein Mädchen aus den Trümmern gerettet
haben.“